In der Vergangenheit hat die Stadt Salzgitter den Trend zum Eigenheim vollständig verpennt. Augenscheinlich wurde dieses Versagen auch für die Einäugigen und Kurzsichtigen mit der durch gesunkene Bauzinsen weiter anziehenden Nachfrage nach Bauplätzen.
In Salzgitter hat man sich sehr viel um die „soziale Stadt“ gekümmert. Die Bedürfnisse der Gut-, Besser- und Bestverdienenden – die vor allem in den großen Industriebetrieben der Salzstadt ihre Arbeitsplätze finden – hat man dafür stark vernachlässigt.
In unserer Stadt hat sich scheinbar niemand gewundert, wer in Lengede, Broistedt, Wolfenbüttel und Hildesheim die boomenden Neubaugebiete bebaut. Das sind zum großen Teil die gut verdienenden Schichtarbeiter, Techniker und Ingenieure der Betriebe aus der Stahlstadt. Die möchten einfach nicht in Salzgitters aufgehübschte Sozialwohnungen einziehen.
In Salzgitter werden (gut bezahlte) Arbeitsplätze für die gesamte Region bereitgestellt (Pendlerüberschuss) – die Arbeitslosigkeit in der Stahlstadt selbst liegt jedoch bei über zehn Prozent. Im Gegensatz zu den Umlandgemeinden, wo diese nur fast halb so hoch ist. Hier läuft etwas mächtig schief.
Wenn sich der Stadtbaurat Tacke dann in einem Artikel der Salzgitter-Zeitung als großer Visionär darstellen kann – der bei einer Nachfrage von 1348 registrierten Bauwilligen tatsächlich gerade einmal 40 beziehungsweise 60 Bauplätze im Jahr bereitstellen kann – dann springt einem die Diskrepanz geradezu ins Auge. Man fragt sich (jedenfalls ich frage mich), warum die Reporterin diesbezüglich nicht einfach einmal nachfragt.
Der Leserbrief, den ich zu dem Artikel (s.o.) geschrieben habe, wurde leider wieder nicht abgedruckt, daher erscheint er an dieser Stelle:
Zum Artikel – Salzgitter – „Beliebtestes Baugebiet ist derzeit Fredenberg-West“ v. 05.04.2016
Die, nennen wir sie „umarmende“, Berichterstattung der Salzgitter Zeitung nimmt bisweilen groteske Züge an. In Salzgitter kann nicht einmal fünf Prozent der bereits aktenkundigen Nachfrage nach Bauplätzen befriedigt werden. Trotzdem klopft sich der Stadtbaurat Tacke selbst, ob seiner angeblich visionären Baugebietsplanung, kräftigst auf die Schulter. Da muss doch zwingend kritisch nachgefragt werden, ob hier nicht eigentlich ein Trend vollständig verpennt wurde.
Bei der Gelegenheit könnte ein kritischer Journalist auch gleich die Frage aufwerfen, warum die Stadtverwaltung sich nicht mit Nachdruck für die Verlängerung der Bahnstrecke nach Fredenberg einsetzt. Diese würde auch die neu geschaffenen Baugebiete in Lichtenberg und Fredenberg noch attraktiver machen – und zum größten Teil vom Land bezahlt.
Er könnte auch einmal nachfragen, warum die Autobahn(auf-/ab)fahrten im drittgrößten Industriezentrum Niedersachsens – einem ausgewiesenen Logistikstandort – lediglich Nachkriegsstandards erfüllen. Und warum niemand bei dem aktuell durchgeführten Standstreifenaus(/-an)bau daran gedacht hat, auch diese Anbindungen zeitgemäß (250 m lange statt 70 m kurzen Mini-Auf/Abfahrten) zu gestalten.
Möchten die Braunschweiger Ihre Atommüll-Problemfirma aus Thune in dem neuen, gemeinsam mit Salzgitter geplanten, Gewerbegebiet (in der Nähe des Schachtes Konrad und direkt am zukünftigen Braunschweiger Atommüll-Bahnhof) „entsorgen“?
Etwas mehr hinterfragenden Journalismus und etwas weniger „Pressemitteilung“ – das würde ich mir von der Salzgitter-Zeitung wünschen.
Alexander Hanne, Salzgitter-Salder